Start-up: AEM – Elektromotore ohne Kupfer und Seltene Erden

Die Mobilität durch leistungsstarke und zugleich umweltfreundliche Elektromotorentechnik neu definieren.

Co-Gründer und CEO von AEM, James Widmer, neben einem Antriebssystem aus zwei gekoppelten HDRM300-Motoren und einem integrierten Getriebe. Das System kann bis zu 600 kW Spitzenleistung und 2.650 Nm Maximaldrehmoment bereitstellen – und das ohne die Verwendung von Seltenen-Erden-Magneten.

Die nachhaltigsten Hochleistungselektromotoren der Welt für den globalen Automobil- und Transportsektor zu entwickeln und zu bauen, das war das Ziel der Forscher, als sie 2017 mit Advanced Electric Machines (AEM) als Spin-off der Universität Newcastle an den Start gingen. Heute hat das britische Unternehmen bereits mehrere Motoren ohne Seltene Erden im Programm. Aktuell arbeitet AEM an einem Pkw-Traktionsmotor, der zusätzlich auch ohne Kupfer auskommt und damit besonders nachhaltig und gleichzeitig resilient gegenüber Störungen in der Lieferkette ist.


Zielsetzung:

  • AEM hat sich zum Ziel gesetzt, die Mobilität durch leistungsstarke und zugleich umweltfreundliche Elektromotorentechnik neu zu definieren.
  • Durch nachhaltige Elektromotoren und Antriebssysteme, die frei von Seltenen Erden und Kupfer sind, soll der weltweite Übergang zur Elektrifizierung in allen Sektoren ermöglicht werden.

Arbeitsbereiche:

  • Minimierung der Umweltauswirkungen der Elektrifizierung
  • Materialinnovation (Aluminiumspulentechnologie)
  • Magnetfreie Elektromotoren (Reluktanzmotoren)
  • Seltenerdmetall- und magnetfreie Elektromotoren
  • Herstellung verdichteter Spulen
  • Herstellung von Hochgeschwindigkeitsrotoren
  • Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Lieferkette für EV-Komponenten
  • Nachhaltigkeit im Lebenszyklus und Recyclingfähigkeit
  • Elektrifizierung von gewerblichen und industriellen Anwendungen
  • Produktionstechnik

Zu den Arbeitsgebieten von AEM gehört die Entwicklung neuer Fertigungstechniken, wie z.B. das patentierte Verfahren der Wicklungsverdichtung. Dieses Verfahren nutzt das Unternehmen, um die benötigte Wicklungsfläche zu reduzieren und damit den Wirkungsgrad des Motors zu erhöhen.

© AEM

Mitarbeiterzahl:

mehr als 50

Damit machte das Start-up auf sich aufmerksam:

  • Die weltweit ersten Hochleistungs-Elektromotoren, die frei von Seltenen Erden und Kupfer sind.
  • Zwei Innovations- und Nachhaltigkeitspreise für die SAF TRAKr E-Achse für Trailer von SAF-HOLLAND, die seit 2023 in Serienproduktion. Der HDRM150C-Motor von AEM dient dabei als Generator zur Rückgewinnung von kinetischer Energie für z.B. die Versorgung eines Kühlaggregats.
  • Die AEM-Motore sind weltweit auf vier Kontinenten im Einsatz und haben mehr als drei Millionen Kilometer im Feldtest in Nutzfahrzeugen wie Busse, Kühlfahrzeuge, Züge und Outback-Trucks als Generator für den Betrieb von Nebenaggregaten und auch als Traktionsmotor zurückgelegt.

Die elektrifizierte Achse für Anhänger und Auflieger SAF TRAKr von SAF-HOLLAND nutzt den Selten-Erden-freien HDRM150-Motor mit verdichteten Wicklungen von AEM für die Rückgewinnung von Bewegungsenergie für den Betrieb von Nebenaggregaten wie Kühlanlagen oder Pumpen.

© SAF-HOLLAND

Struktur:

AEM ist eine Ausgründung der Universität Newcastle im Vereinigten Königreich, die von James Widmer (CEO) und Dr. Andy Steven (CTO) 2017 gegründet wurde. Beide waren zuvor am Centre for Advanced Electrical Drives der Newcastle University tätig, wo sie an innovativen Technologien für Elektromotoren arbeiteten. Dr. James Widmer leitete das Zentrum und erkannte das Potenzial, nachhaltige Alternativen zu herkömmlichen Elektromotoren zu entwickeln und zu produzieren.

Finanzen:

  • April 2017: Innovate UK Fördergeld
  • Juli 2017: Seed-Finanzierungsrunde
  • November 2023: 29 Mio.-USD-Finanzierung der Serie A von Legal & General Sustainable Capital, Barclays Sustainable Impact Capital und Par Equity.

Standorte:

HQ, Entwicklung und Fertigung mit Produktionskapazität für 12.000 Motoren pro Jahr in Washington (nähe Newcastle-upon-Tyne), UK

Kooperationen/Forschungsprojekte:

  • Zusammenarbeit mit SAF-HOLLAND bei der TRAKr-Achse mit Rekuperation für Hybrid-Anhängeranwendungen
  • Langjährige Entwicklungspartnerschaften mit OEMs und Wechselrichterlieferanten
  • Kontinuierliche akademische Kooperationen u.a. mit der Universität Newcastle
  • OCTOPUS-Projekt (E-Achse für Personenkraftwagen; SSRD Konzept Demo)
  • Coco-Projekt: Entwicklung eines Rotors für hohe Umdrehungszahlen bis 30.000 U/min.

Und so geht es weiter:

  • Steigerung der Produktionskapazität auf 100.000 Einheiten pro Jahr
  • Entwicklung und Integration eines SSRD-Motors ohne Seltene Erden und Kupfer für Pkw in Zusammenarbeit mit OEMs
  • Sondierung von Produktionspartnerschaften auf internationaler Ebene (z.B. Indien)
  • Weitere Innovation in Richtung vollständig recycelbarer, hocheffizienter und kostengünstiger Motoren für die Massenelektrifizierung
  • HDRM-Motor mit Aluminiumspulen anstelle von Kupferspulen (auf Nachfrage, ca. 12 bis 18 Monate Vorlaufzeit)

Das steckt hinter AEMs Motorentechnik:

Aufbauend auf der Grundlagenforschung von James Widmer, Dr. Andy Steven und anderen Forschern an der Universität Newcastle sowie projektbezogenen Arbeiten mit Partnern (OEM, 2 Zulieferer) auf den Gebieten rotierende elektrische Maschinen, Getriebe und nachhaltige Antriebstechnik hat AEM mehrere Verbesserungen der Reluktanzmotortechnik erreicht, die schrittweise in Serienmotoren umgesetzt werden.
Den Anstoß zur Entwicklung eines ersten konkreten Motors gaben ein globaler Tier1-Motorenlieferant und ein Tier1-Inverterlieferant, die in einer Anwendung Probleme mit einem als Generator betriebenen Synchronmotor durch temperaturbedingte Entmagnetisierung hatten.
Entsprechend konkret waren die Anforderungen an AEM: Die Lösung sollte ohne Permanentmagnete auskommen, das gleiche Drehmoment bieten und in das gleiche Gehäuse passen wie der bisher verwendete permanenterregte Motor-Generator (IPM). Außerdem sollte er auch bei hohen Betriebstemperaturen sicher funktionieren, ohne dass die Gefahr einer Entmagnetisierung besteht. Darüber hinaus sollte der Motor mit einem Standard-Hochtemperatur-Brückenumrichter betrieben und an das Kühlsystem des Antriebsmotors des jeweiligen Hybridfahrzeugs angeschlossen werden können.
AEM konnte die Aufgabe lösen und realisierte einen Reluktanzmotor ohne Permanentmagnete, der 2021 unter der Bezeichnung HDRM300 (die 300 steht für einen 300-mm-Stator) zum ersten standardisierten AEM-Serienprodukt wurde.

Verlauf von Drehmoment und Nennstrom (max.) von HDRM und vergleichbaren Synchronmotor. © AEM

Der Verzicht auf Permanentmagnete verbessert zum einen die Nachhaltigkeit des Motors und die Abhängigkeit von einzelnen Rohstofflieferanten deutlich. Zum anderen können keine Probleme durch Entmagnetisierung bei hohen Temperaturen auftreten. Gleichzeitig werden die sonst durch die Permanentmagnete induzierten Ströme, die bei PM-Maschinen nach dem Abschalten, aber Weiterdrehen des Motors auftreten, ebenso vermieden wie Kurzschlussströme. Eine aufwändige Schutzelektronik ist daher nicht erforderlich. Ein weiterer Vorteil dieser AEM-Reluktanzmotoren: Sie benötigen keine spezielle Umrichtertechnik, sondern können mit Standard-3-Phasen-Wechselrichtern z.B. von Sevcon, Semikron oder Nidec betrieben werden.

Auch einem weiteren Nachteil der frühen Reluktanzmotoren, den Geräuschemissionen, hat sich AEM angenommen. Tests in einem reflexionsarmen Raum haben gezeigt, dass der HDRM300 durch die getroffenen Maßnahmen hinsichtlich des A-bewerteten Schalldruckpegels (dBA) mit einem IPM-Traktionsmotor vergleichbar ist – auch hinsichtlich der Drehmomentwelligkeit, da kein Cogging beim Abschalten auftritt.

Der Vergleich der A-bewerteten Schalldruckpegel bei Volllast zeigt kaum Unterschiede zwischen dem Synchronmotor und dem HDRM300. © AEM

Eine weitere Verbesserung des Motors wurde von AEM durch eine patentierte Fertigungstechnik erreicht, die es ermöglicht, die Wicklungen zu verdichten. Diese Variante des HDRM-Motors, erkennbar am C im Motornamen, ist als Muster verfügbar (Stand Anfang 2025).

Die HDRM300-Motoren werden heute hauptsächlich als Traktionsantriebe in Bussen, LKWs, Schiffen und Off-Highway-Maschinen sowie zum Antrieb von Nebenaggregaten eingesetzt.

Verfügbar sind Varianten mit einer maximalen Leistung von ca. 300 kW, einem maximalen Drehmoment von ca. 500 Nm bzw. einer Dauerleistung von ca. 100 kW. Die für 2025 angekündigte C-Variante des HDRM300, die bereits in Mustern verfügbar ist, bietet eine Dauerleistung von ca. 150 kW.

Höhere Leistungen können dank der modularen Bauweise durch Kombination von z.B. zwei Motoren und einem Getriebe in einem Gehäuse erreicht werden (z.B.: HDRM300 C System: max. Leistung 600 kW, Dauerleistung 300 kW, max. Drehmoment 2.500 Nm, Dauerdrehmoment 1.000 Nm).

Die gleiche Technik wie die HDRM300-Motoren nutzt AEM auch bei den 2024 in Serie gegangenen HDRM150-Motoren. Zu den Anwendungen dieser Motoren gehört die E-Achse TRAKr für Kühltrailer, bei dem der Reluktanzmotor als Generator die Energie für Kühlaggregat liefert.

Der SSRD A kommt ohne Seltene Erden und Kupfer aus und weist bei vergleichbaren Leistungsdaten ein um 45 % besseres Leistungsgewicht auf als Motoren mit Permanentmagneten. Erste Prototypen des SSRD für OEM-Projekte sollen im Laufe des Jahres 2025 zur Verfügung stehen. © AEM. © AEM

Die jüngste Entwicklung von AEM markiert den Einstieg in den Bereich der Pkw-Traktionsmotoren. Zu den Entwicklungszielen gehörten minimale Kosten für den gesamten Antriebsstrang (Motor, Getriebe, Umrichter, Batterie): Der SSRD (Super Speed Reluctance Drive).

Auch hier handelt es sich um einen geregelten Reluktanzmotor, der im Vergleich zu den HDRM-Motoren von vornherein mit Aluminiumspulen ausgestattet ist. Damit ist der Motor noch einmal deutlich nachhaltiger, da er wesentlich einfacher zu recyceln ist. Der komplette Motor kann eingeschmolzen werden – Stahl und Aluminium trennen sich direkt im Schmelzprozess.

Die Entwicklung des SSRD basiert auch auf Forschungsarbeiten von James Widmer an der Universität Newcastle und verschiedenen Projekten mit Industriepartnern wie Landrover, Jaguar, Bentley und Porsche. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Entwicklung eines Rotors für Drehzahlen bis 30.000 U/min als Basis für einen kostengünstigen, effizienten, leichten und leistungsstarken Antriebsstrang.

Relative Antriebsstrangkosten der SSRD-Motoren im Wettbewerbsumfeld © AEM

Für die 2025/26 geplanten OEM-Demofahrzeuge ist der Motor für Drehzahlen bis zu 30.000 U/min spezifiziert. In einer gemeinsam mit einem OEM und zwei Tier-1-Unternehmen finanzierten Studie wurden verschiedene Rotortopologien verglichen. Sie stellte die Kosten des gesamten Antriebsstrangs gegenüber und zeigte, dass die SSRD-Technologie den kostengünstigsten Antriebsstrang mit der geforderten volumetrischen Leistungsdichte (ca. 29 kW/L) und gleichzeitig die beste Umweltbilanz bietet. Für die von AEM für 2025 angekündigten Prototypen des SSRD-Motors erwartet das Unternehmen eine Dauerleistung von 138 kW bei 30.000 U/min und eine Volumenleistungsdichte von 35,4 kW/l bzw. eine Massenleistungsdichte von 10 kW/kg.

Prinzipiell könnte der SSRD auch mit Standardumrichtern betrieben werden. AEM beabsichtigt jedoch, die Elektronik direkt in den Motor zu integrieren, um die Steuerungsmöglichkeiten zur Leistungsoptimierung oder Lärmreduzierung voll ausschöpfen zu können. (jr)