Chinas Tempo trifft deutsche Technik

ZF Chassis Technology Day 2025 in Friedrichshafen

Nio präsentierte erstmals in Europa sein Flaggschiff ET9 – das weltweit erste Serienfahrzeug mit reinem Steer-by-Wire von ZF. (© ZF)

Nio präsentiert mit dem ET9 erstmals in Europa sein neues Flaggschiff – das weltweit erste Serienfahrzeug mit einer vollständig digitalen Steer-by-Wire-Lenkung von ZF. Die Premiere unterstreicht, wie intelligente, vernetzte Aktuatoren und By-Wire-Technologien die Entwicklung moderner Fahrwerkkonzepte vorantreiben – und wie China zunehmend zur Triebfeder für die Umsetzung deutscher Ingenieurskompetenz wird.


ZF präsentiert sich als Taktgeber für die nächste Evolutionsstufe der Fahrwerktechnologie – mit einer Partnerschaft, die in der Branche für Aufmerksamkeit sorgt: Der chinesische Premiumhersteller Nio nutzte jüngst die Technikveranstaltung von ZF in Friedrichshafen für die Europapremiere seines Flaggschiffs ET9. Das Besondere: Das Modell ist das erste Serienfahrzeug weltweit mit einer rein digitalen Steer-by-Wire-Lenkung – entwickelt von ZF.  Bereits bei niedrigen Geschwindigkeiten reagiert das Fahrzeug mit einem geringen Lenkwinkel, wodurch enge Manöver mit minimalem Aufwand möglich sind. Auf der Teststrecke zeigt sich das System hochdynamisch und spurtreu. Auffällig ist das markant geformte Lenkrad, das vollständig digital mit dem Fahrzeug kommuniziert. Eine mechanische Verbindung zur Lenkung existiert nicht mehr.


Elektrische Signalübertragung statt mechanischer Verbindungen: ZF übernimmt mit seinem umfassenden und serienreifem By-Wire-Technologie-Portfolio eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung moderner Fahrwerksysteme. (© ZF)


Die Zusammenarbeit mit Nio unterstreicht nicht nur die technologische Reife von ZFs by-Wire-Ansatz, sondern auch die zunehmende strategische Bedeutung des chinesischen Markts. „China ist unser Fitnessstudio“, sagte Peter Holdmann, Vorstand für Pkw-Fahrwerktechnik bei ZF. Das Entwicklungs- und Entscheidungstempo chinesischer OEMs setze neue Maßstäbe, so Holdmann. ZF begegnet dieser Dynamik mit lokaler Produktion und enger Kundenanbindung. Neben Nio arbeiten bereits zwei weitere chinesische Hersteller mit ZF zusammen. Auch Mercedes-Benz setzt ab 2026 auf die neue Lenkungstechnologie.


Auf dem Chassis Tech Day präsentierte Dr. Peter Holdmann, Mitglied des ZF-Vorstands und verantwortlich für die Pkw-Fahrwerktechnik, Innovationen aus dem Chassis 2.0-Produktprogramm von ZF. (© ZF)


Chassis 2.0, so nennt ZF seinen Technologie-Ansatz, der dank intelligenter und vernetzungsfähiger Aktuatoren neue Fahrwerkfunktionen mittels Software möglich macht. By-Wire-Technologien werden zukünftig Teil eines umfassenden Technologiewandels im Fahrwerk. Analog zum Steer-by-Wire steht auch Brake-by-Wire vor dem Serieneinsatz: Ein US-Hersteller wird 2026 erste Modelle mit digitaler Bremssteuerung an der Hinterachse ausliefern. Beide Technologien eliminieren mechanische Verbindungselemente, was neue Freiheitsgrade im Fahrzeuglayout eröffnet und die Grundlage für softwaredefinierte Fahrzeuge (SDV) schafft. ZF setzt dabei auf höchste Sicherheitsstandards mit redundanten Systemen und doppelter Stromversorgung.

Weitere Bausteine im „Chassis 2.0“-Baukasten sind das aktive Dämpfersystem sMotion, das bereits im Porsche Taycan im Einsatz ist, sowie der neue Smart Chassis Sensor (siehe auch Beitrag hier). Letzterer ermöglicht ein kontinuierliches Zustandsmonitoring des Fahrwerks und erkennt z. B. lose Radmuttern oder übermäßige Beladung. In Kombination mit Cloud-Analysetools entsteht ein digitaler „Fitness-Tracker“ für das Chassis – mit Potenzial für vorausschauende Wartung und höhere Sicherheit.

Die ZF-Software cubiX übernimmt dabei nicht nur die intelligente Fahrwerksregelung, sondern auch die Kalibrierung. Mit dem neuen cubiX Tuner (siehe Beitrag hier) lassen sich OEM-typische Fahreigenschaften nun per Mausklick auf die ECU übertragen – schnell, intuitiv und auch für Aktuatoren anderer Zulieferer.

Neben der Digitalisierung überzeugt ZF auch mit klassischen Ingenieurleistungen: Das Easy-Turn-Lenksystem ermöglicht einen Lenkeinschlag von bis zu 80 Grad und verleiht einem VW ID Buzz den Wendekreis eines Fiat 500 – ein Beispiel für die mechanische Innovationskraft, die ZF mit seinen Softwarekompetenzen kombiniert. (oe)

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