Prof. Dr.-Ing. Stefan Goß ist Professor an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften und Leiter des Instituts für Fahrzeugsystem- und Servicetechnologien. Im Interview mit der Fa. Softing Automotive geht Prof. Goß auf die aktuellen Entwicklungen in der Fahrzeugelektronik und die Auswirkungen auf die Diagnose-Standardisierung ein.
Eine der größten Herausforderungen in der E/E-Architektur sieht Prof. Goß heute in den neuen Bussystemen. Insbesondere der Übergang zu Ethernet auf dem Physical Layer stellt seiner Ansicht nach eine enorme Herausforderung dar. Dabei wird in der Branche immer wieder diskutiert, ob sich der Übergang zu Ethernet auch auf optische Bussysteme ausweiten wird. Dafür sieht er allerdings in den nächsten Jahren und Jahrzehnten keinen Markt, da die Reparaturverfahren bei optischen Lichtwellenleiter-Systemen in den Werkstätten besondere Kompetenzen benötigen, zum Beispiel die Einhaltung von Biege- und Knickradien.
Und auch bei der Architektur im Fahrzeug mit nur wenigen Hochleistungsrechnern sieht er noch keinen Markt. Ein wichtiger Grund hierfür sei die Mehrlieferantenstrategie der Automobilhersteller. „Heute wird auf Hardware-Ebene verhandelt. Der Einkauf von Software-Komponenten verschiedenster Hersteller auf zwei oder drei HPCs zu verdichten, kann ich mir nicht vorstellen. Es wird also weiterhin dezentrale Komponenten und Architekturen geben. Diese werden sicherlich mit weniger Steuergeräten auskommen und anders aussehen als heute.“ Dr. Goß steht dieser HPC-Euphorie jedoch skeptisch gegenüber: „Durch die Safety-Anforderung über die ISO 26262 in Bezug auf funktionale Sicherheit wird dieser augenblickliche Hype einer Ernüchterungsphase weichen. Wir werden auch noch in 20 Jahren so etwas wie CAN oder LIN brauchen. Das harte Argument ist dabei das gute Verhältnis zwischen Datenrate, Safety und Kosten.“
Der Einsatz des neuen Standards SOVD (Service-Oriented Vehicle Diagnostics) sieht er jedoch als zwingend notwendig an. Ob die Diagnose in Zukunft ebenfalls vollständig von der Werkstatt in das Fahrzeug ausgelagert wird, sei auch trotz SOVD unrealistisch, so Goß. Denn es wird in der Regel nur für Größen, die für die Fahrfunktion benötigt werden, ein entsprechender Sensor im Fahrzeug verbaut werden. Wenn Messwerte für eine Reparatur gebraucht werden, die das Fahrzeug nicht selbst generieren kann, müssen diese von einem Mechatroniker mit einem Messgerät vor Ort erfasst werden. Anders sieht das seiner Meinung nach allerdings bei Fehlersuchverfahren aus, die auf Standardabläufen basieren.
Im weiteren Verlauf des Interviews geht er dann noch auf Event Data Recorder bei hochautomatisierten Fahrzeugen ein, was die Standardisierung der Diagnose für Automobilhersteller und Zulieferer bedeutet und wie er den Zusammenhang von ePTI (TÜV-Prüfung für die Elektronik im Fahrzeug), proprietären Lösungen und den Daten-Treuhändern sieht. (oe)