Kommentar: Ein Aus für das Verbrenneraus darf nicht kommen

OEMs und Zulieferer brauchen Planungssicherheit und kein Aufgeben des Verbrennerverbots.

Innovationsstärke der Volumenmarken im Technologiefeld Elektromobilität im Jahr 2023/2024 © CAM

Die Skepsis gegenüber batterieelektrischen Elektroautos ist groß. Das dürfte jedem klar sein, der sich in seinem Umfeld umsieht und umhört. Kritiker sehen sich durch die vor ein paar Tagen veröffentlichten KBA-Zulassungszahlen im 1. HJ 24 bestätigt. Sie belegen für Deutschland einen Rückgang der BEV-Neuzulassungen um 16 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Zahlen zeigen aber nur eine große Skepsis gegenüber Elektroautos und taugen nicht als Argument für oder gegen die technologische oder ökologische Sinnhaftigkeit eines Wechsels zur E-Mobilität.

Politiker wie Christian Dürr von der FDP nutzen die Untersicherheit und fordern, das geplante EU-Verbot des Verbrennungsmotors in Pkws zu stoppen und redet von „Wahlbetrug“, wenn dies die Kommissionspräsidentin nicht zeitnah umsetzte.

Hülfe ein Aussetzen oder Verschieben des Aus für Verbrenner der Deutschen bzw. Europäischen Wirtschaft oder gar den Verbrauchern?

Von mir dazu ein klares Nein!

Im Gegenteil. Setzt sich die FDP mit ihrer Forderung durch, wird das die Situation für alle OEMs und Zulieferer nur noch verschlimmern.

Kommentar von Franz Joachim Roßmann, Herausgeber und Co-Chefredakteur.

Die Unternehmen profitierten zwar länger von den höheren Margen, die die Hersteller mit Verbrennermotoren, Getrieben, Ersatzteilen, Schmierstoffen und Artverwandten derzeit erzielen. Die erforderlichen hohen Investitionen für die Umstellung könnten über einen größeren Zeitraum verteilt aufgebracht werden und es bliebe mehr Zeit, Konsumenten vom batterieelektrischen Angebot zu überzeugen. Doch viele Beispiele der Vergangenheit und Gegenwart zeigen, dass fokussierter agierende Firmen (China) mehrgleisig fahrende Unternehmen hinter sich lassen.

Die unbestritten mit der Umstellung verbundenen Verwerfungen und Herausforderungen wirken als Brennglas, dass die über Jahre angesammelten Versäumnisse (siehe Insolvenz-Studie) zutage treten lässt. Nicht mehr lebensfähige oder von der Gesellschaft nicht mehr akzeptierte Geschäftsmodelle werden unter diesem Druck schnell von der Entwicklung aus dem Markt katapultiert. Auch die von der FDP gehypten eFuel können als (knappe und teure) Nischenlösung den Verbrenner im Pkw weder kurz- noch langfristig retten.

Ein Verschieben oder sogar Aussetzen des Verbrennerverbots würde nur bewirken, dass die unvermeidliche Bereinigung später stattfindet – zum Nachteil und Schaden derjenigen Unternehmen, die schon heute hohe Investitionen für die Umstellung getätigt haben und dabei sind, sich für die Elektromobilität fit zu machen. Die Windenergie- und Solarindustrie kann davon ein Lied singen.

Wir haben eine Menge ausgezeichneter Automotive-Firmen, die gut aufgestellt und international wettbewerbsfähig sind. Beispiel gefällig? Eine aktuelle Studie sieht deutsche OEMs auf den fordern Plätzen der innovationsstärksten Unternehmen im Technologiefeld Elektromobilität: VW nimmt die Spitzenposition unter den Volumenmarken ein, BMW kommt an dritter Stelle der Premiumhersteller.

Bürger, Politiker und Unternehmer können der Gesellschaft und den deutschen Unternehmen mehr zutrauen und sollten den Wandel weiter fordern und fördern.

Trotz angebrachtem Optimismus müssen wir uns alle endlich ehrlich machen: Einen Fahrzeugbestand wie heute, kann und wird es auf Dauer nicht geben. Nur dann ist die geplante Verkehrswende auch eine nachhaltige Verkehrswende. (jr)