Start-up: Certivity – Mit KI-Unterstützung zur Product Compliance

KI-Engine bietet effizienteren Weg zu kontextspezifischen und strukturierten regulatorischen Texten sowie deren Anreicherung, Verwaltung, Nutzung und Aktualisierung

Regulatorische Texte werden mit Hilfe von maschinellem Lernen von Certivity digitalisiert, strukturiert und annotiert. © Certivity

Regulatorische Texte liegen oft nicht in digitalisierter Form oder verarbeitbarer Form vor. Mitarbeiter in den Rechts- und Entwicklungsabteilungen mussten daher bislang die enthaltenden Informationen – meist mit Hilfe von Tabellenkalkulationsprogrammen – manuell verwalten, bearbeiten und aktualisieren. Certivity bietet nun einen wesentlich effizienteren Weg zu digitalen, strukturierten regulatorischen Texten sowie deren Anreicherung, Verwaltung, Nutzung und Aktualisierung an. Anwender berichten laut Certivity, dass sie damit 75 % der Zeit einsparen, die sie bisher für das Auffinden, Management, Interpretieren und Aktualisieren von regulatorischen Texten und Ableiten von Anforderungen benötigt haben.


Zielsetzung:

  • Certivity wird von der klaren Vision angetrieben, die nicht-digitale Regulatorik mit digitalen Entwicklungsprozessen zu verbinden, um so das Sicherstellen der Product Compliance für alle Beteiligte zu vereinfachen.
  • Der bisher übliche manuelle Managementansätze mit Hilfe von Tabellenkalkulationsprogrammen ist zeitaufwendig, kostenintensiv und fehleranfällig. Durch einen datengetriebenen Ansatz und die Nutzung fortschrittlicher Techniken wie Knowledge-Graph-Techniken, maschinelles Lernen und Large Languele Models (LLM) optimiert Certivity die Compliance-Prozesse, senkt Kosten und beschleunigt die Produktentwicklung.

Arbeitsbereiche:

  • Digitalisierung von Regulatorik jeglichen Formats (PDF, World, XML, HTML)
  • Aufbau einer intelligenten und vernetzten globalen Regulatorik-Datenbank
  • Einsatz von KI- und ML-Algorithmen zur Datenanreicherung, Analyse und Informationsextraktion z.B. der funktionalen oder Test-Anforderungen aus Gesetztexten
  • Erstellung einer Anwendungssoftware zum Management von Product Compliance
  • Nahtlose Integration in bestehende Engineering Prozesse und Anforderungsmanagementtools

Mitarbeiterzahl:

Das Team besteht aus über 40 Personen (Stand Juli 2024)

Damit erregte das Start-up Aufmerksamkeit:

  • 2022: Launch der ersten Version der Certivity Software, Gewinnung der ersten Kunden und erfolgreicher Abschluss einer Finanzierungsrunde, Aufnahme beim XPRENEURS Inkubator der UnternehmerTUM und dem Legal Tech Colab
  • 2023: Aufbau eines internationalen Teams an zwei Standorten und über 700 % Umsatzwachstum
  • 2024: Launch des Project Features, das Ingenieuren bei der Erstellung und dem Management von Anforderungen maßgeblich unterstützt und die Erstellung von digitalen regulatorischen Zwillingen ihrer Produkte ermöglicht
  • 2024: Auszeichnung als eines der 27 vielversprechensten KI Start-ups Deutschlands durch das appliedAI Institute for Europe

Mit der Plattform von Certivity können sich Anwender für ihr Automotive-Projekt relevante regulatorische Informationen wie Requirements suchen, filtern und anzeigen lassen.

©Certivity

Struktur:

Certivity wurde von Nico Wägerle (CEO), Bogdan Bereczki (CPO), Jörg Ulmer (CTO) und Sami Vaaraniemi (CSO) gegründet.

Finanzen:

  • Investoren: Earlybird X, HTGF, Almaz Capital, Plug and Play Tech Center, Peter Mertens, Bernhard Kirschbaum
  • Finanzierungsrunden: Erfolgreiche Seed Finanzierungsrunden im Jahr 2022 mit Extension in 2023

Standorte:

  • München
  • Stuttgart

So geht’s weiter:

  • Launch von weiteren Features, insbesondere im Bereich kundenspezifischer Dokumente wie z.B. der Analyse von Lastenheften mit künstlicher Intelligenz
  • Expansion in weitere Branchen mit komplexen Produkten und umfassender Regulatorik wie Medizintechnik, Off-road-Maschinen oder allgemeiner Maschinenbau
  • Zertifizierung nach TISAX

Das steckt hinter Certivitys Plattform für die Verwaltung von Vorschriften

Certivitys Plattform für die Verwaltung von Vorschriften lässt sich in zwei Anwendungsbereiche aufteilen:

Ein Teil der Lösung befasst sich mit der KI-gestützten Digitalisierung und Aufbereitung von Texten (Gesetze, Verordnungen, kundenspezifische Dkumente) mit Metadaten. Der andere bietet eine Cloud-Anwendung zur Verwaltung, Nutzung und Aktualisierung der digitalisierten und mit Metadaten angereicherten regulatorischen Texte und der erstellen Projekte. Diese Anwendung ist auf Rechts- und Entwicklungs-Abteilungen bei OEMs und Zulieferern zugeschnitten, die an der Homologation und Gewährleistung der Product Compliance komplexer Automotive-Produkte beteiligt sind. Beide Tools sind Eigenentwicklungen von Certivity.

Die Digitalisierung:

Beim Parsen der Texte setzt Certivity auf maschinelles Lernen. Für jedes Dokumentenformat wird ein eigenes Modell trainiert. Ein Team bei Certivity kümmert sich um die Qualitätskontrolle der Digitalisierungen und Annotierung durch die KI. Wird ein neuer regulatorischer Text veröffentlicht, wird das Dokument mit Hilfe dieses Modells strukturiert, semantische Zusammenhänge hergestellt und jeder Paragraph mit Metadaten (z.B. Anwendungsbereich, Gültigkeitsbereich, Überschrift, Inhaltsverzeichnis, Test-Requirement, Performance Requirement, Grafik, Tabelle) und Verlinkungen angereichert. Abschließend prüft das Certivity-Team das Ergebnis. Nach der Freigabe wird es den Certivity-Anwendern zur Verfügung gestellt. Der Prozess vom Veröffentlichungsdatum von Gesetzesänderungen bis zur Bereitstellung in der Certivity-Anwendung dauert maximal zwei Wochen.

Beispiel für die Verwendungsmöglichkeit der Certivity-Coud-Anwendung: Vergleich zweier Releases. ©Certivity

Die Anwendung:

Die digitalisierten und angereicherten Daten werden in einer intelligenten Datenbank abgelegt, die von Microsoft in der Azure-Cloud auf einem Server in Deutschland gehosted wird. Lizenznehmer können mit der darauf aufbauenden SaaS-Anwendung regulatorische Texte abonnieren, nach Metadaten filtern und durchsuchen, Versionen vergleichen, zu Projekten zuordnen und sich über neue Versionen automatisch benachrichtigen lassen.

Der Workflow richtet sich dabei an den in Unternehmen üblichen Abläufen. Entsprechend unterstützt die Software Vieraugenprinzipien, Rechteverwaltung, Versionskontrollen sowie die Rückverfolgbarkeit (Historie mit Änderungsvermerken und Autorenvermerk) und das Arbeiten in Teams.

Die Software ermöglicht es, individuelle Interpretationen und Handlungsanweisungen für jede Anforderung zu hinterlegen und eigene Dateien anzuhängen. Das Anlegen von Projekten z.B. für Komponenten oder ein Gesamtfahrzeug, stellt sicher, dass alle Anforderungen, die sich aus verschiedenen Regularien und Regionen ergeben, effizient gemanaged und aktualisiert werden können. Dabei können Felder frei definiert werden und z.B. für die Angabe von Ansprechpartnern oder Kommentare genutzt werden.

Exportfunktionen und APIs Für die Weiterverwendung der Texte und Requirements z.B. in Requirements Engineering-Tools wie Jama, Doors, Polarion oder Codebeamer runden das Feature-Set ab. Dadurch ist der gesamte Compliance Prozess digitalisiert und bi-direktional nachverfolgbar – eine wichtige Vorraussetzung z.B. für ASPICE L2 Compliance.  (jr)