Hochautomatisiertes Fahren: Kritische Verkehrssituationen automatisiert erkennen

Das autonom fahrende Fahrzeug von morgen muss in kritischen Momenten ebenfalls sicher reagieren, weshalb Porsche Engineering sie heute schon intensiv in Simulationen durchspielt. (Bild: Porsche Engineering)

Um Funktionen für das hochautomatisierte Fahren abzusichern, ergänzt man die realen Fahrten durch Fahrten in der Simulation. Doch das ist gerade bei kritischen Verkehrssituationen schwierig, da es an realen Basisdaten für die Simulation mangelt – schließlich kommt es im normalen Verkehrsgeschehen selten zu Grenzsituationen. Diese Lücke soll das Forschungsprojekt AVEAS (Absicherungsrelevante Verkehrssituationen erheben, analysieren, simulieren) schließen. Ziel des Projekts ist es, Testfahrten automatisiert auszuwerten und die kritischen Verkehrssituationen als simulierbare Szenarien aufzubereiten. Porsche Engineering arbeitet neben weiteren 20 Partnern, darunter mehrere Fraunhofer-Institute und das Karlsruher Unternehmen understand.ai. daran mit, kritische Verkehrssituationen automatisiert mit KI-Hilfe aus Sensordaten zu erkennen und in einer Datenbank abzulegen. Die so erzeugten Streckenmodelle und Verkehrssituationen werden zudem variiert, um mehr Testfälle für die virtuelle Absicherung zu erzeugen. „Wir bauen einen vollständigen Katalog von kritischen Szenarien auf, mit dem wir Fahrerassistenzsysteme und Funktionen für das hochautomatisierte Fahren absichern können“, erklären Dr. Joachim Schaper, Leiter KI und Big Data bei Porsche Engineering und Tille Karoline Rupp, Verantwortliche für Simulation bei Porsche Engineering. „Wir entwickeln gerade ein Verfahren, das Verkehrsteilnehmer auch dann wiedererkennt, wenn sie länger nicht zu sehen waren, zum Beispiel, weil ein Lkw sie verdeckt hat“, sagt Leon Eisemann, Doktorand und Spezialist für Bilderkennung bei Porsche Engineering.

Das erfasste Verkehrsgeschehen wird in standardisierten Dateiformaten wie ASAM OpenDRIVE) oder ASAM OpenLABEL gespeichert. So kann AVEAS auch Input für andere Projekte liefern, wie beispielsweise die Streckenmodellierung. In einem zweiten Schritt wählen Algorithmen die kritischen Verkehrssituationen aus, indem sie zum Beispiel auf geringe Abstände oder starke Verzögerungskräfte achten.

Die virtuellen Testfahrten finden in der intern entwickelten Simulationsumgebung statt, dem sogenannten PEVATeC SimFramework (Porsche Engineering Virtual ADAS Testing Center Simulation Framework). In der digitalen Welt lässt sich die reale Fahrt nachstellen (resimulieren) und dann gezielt verändert durchspielen. „Bei diesem sogenannten Szenario-Sampling werden die realen kritischen Situationen systematisch modifiziert und somit der virtuelle Absicherungstestraum künstlich erweitert“, erklärt Rupp.

Im letzten Schritt werden die synthetischen Grenzszenarien verwendet, um die gewünschte Fahrfunktion abzusichern und zu optimieren.

Das im Dezember 2021 gestartete Projekt hat schon erste Ergebnisse geliefert. „Viele Glieder der Prozesskette sind vorhanden, die Versuchsfahrten laufen, einige Patente sind bereits angemeldet“, sagt Michael Strobelt, der die Beteiligung von Porsche Engineering an AVEAS koordiniert. Allerdings bringt die Grundlagenarbeit auch Herausforderungen mit sich. „Die Realität in ihrer hohen Variabilität abbilden zu können, ist anspruchsvoll“, betont Doktorand Eisemann. Erkennungsalgorithmen müssten zum Beispiel Fahrzeuge aus aller Welt identifizieren können – nicht nur deutsche. „Außerdem spielt das Schnittstellenmanagement eine große Rolle“, ergänzt Doktorandin Neis. (oe)

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