In dem Interview mit der Überschrift „Diese Aufbruchstimmung nehme ich klar wahr“ spricht Dr. Matthias Traub über die Folgen des Übergangs zu softwaredefinierten Fahrzeugen für OEMs, Zulieferer und Toolanbieter. Der Geschäftsführer der Vector Informatik konstatiert ein grundlegendes Umdenken entlang der gesamten Wertschöpfungskette und betont die Bedeutung der Trennung von Hard- und Software. Traub erteilt der bisherigen Herangehensweise mit baureihenspezifischer Softwareentwicklung eine Absage und stellt außerdem fest, dass der technologische Vorstoß aus China wie ein Katalysator wirkt und in Deutschland neue Energie freigesetzt hat. Vor allem sei die Offenheit innerhalb der Branche gewachsen, sodass wieder intensiver miteinander gesprochen und gemeinsam an Lösungen gearbeitet werde.
Ursprünglich reine Technologieanbieter wie Nvidia, Qualcomm, Mobileye oder Horizon Robotics entwickeln sich zudem zu Technologieanbietern weiter. Dies führe laut Traub zu Handlungsdruck bei den europäischen Zulieferern. Auch Vector muss sich den veränderten Realitäten stellen und profitiert vom intensivierten Austausch mit OEMs, Zulieferern und Halbleiterherstellern. Sein Unternehmen werde sich entsprechend vom klassischen Engineering- und Produktanbieter zu einem Software-Tech-Player weiterentwickeln. Der Fokus liege dabei auf einem umfassenden Software-Ökosystem – vom Tooling bis zur Softwareplattform – für die Entwicklung softwaredefinierter Systeme.
Für Traub hat das V-Modell mit seiner klaren Aufgabentrennung und sequenziellen Arbeitsweise ausgedient. Es wird durch DevOps-Prozesse abgelöst. Das stellt Unternehmen allerdings vor große Herausforderungen, die häufig unterschätzt werden. Oft ist eine gezielte Weiterentwicklung, ein neues Skillset und nicht selten auch externe Expertise nötig, um diesen Transformationsprozess zu bewältigen.
Vector selbst praktiziert daher „Code first“ und ermöglicht es Kunden, direkt mit den Vector-Entwicklerteams zusammenzuarbeiten. Traub sieht im gemeinsamen Coden in Echtzeit den Schlüssel für die nötige Geschwindigkeit und Innovationskraft in der Fahrzeugentwicklung. Open Source entwickelt sich in der Fahrzeugindustrie laut dem Vector-Geschäftsführer zur strategischen Grundlage – auch für sein Unternehmen. Eclipse SDV ist für ihn im Bereich der Embedded Software aktuell das Schwerkraftzentrum.
Allerdings attestiert Traub gerade bei den Zulieferern Anpassungsdruck durch Überkapazitäten und eine geringere Nachfrage durch OEMs in den Bereichen, in denen diese zwischenzeitlich selbst Kompetenzen aufgebaut haben. Trotzdem sieht Traub Europa gut für die Zukunft aufgestellt, auch auf dem Gebiet des autonomen Fahrens, wie die jüngste Ankündigung eines europäischen Level-4-Shuttles zeigen würde. (jr)
