Die Automobilindustrie steht vor einem technologischen Wendepunkt: Offene Prozessorarchitekturen wie RISC-V gewinnen an Gewicht, doch fehlende Standards, fragmentierte Ökosysteme und Fragen der funktionalen Sicherheit bremsen den Durchbruch. Genau hier setzt Quintauris an – ein junges Unternehmen, das Ende 2023 als Joint Venture von Halbleiterherstellern wie Bosch, Infineon, NXP, Qualcomm, Nordic Semiconductor und seit 2024 auch STMicroelectronics gegründet wurde.
„Unsere Mission ist es, RISC-V in einer industrietauglichen Form bereitzustellen“, erklärt CEO Alexander Kocher im Gespräch mit elektroniknet. Der ehemalige Elektrobit-Chef kam aus dem Ruhestand zurück, um die neue Plattform aufzubauen – überzeugt davon, dass RISC-V nur mit industrieller Verlässlichkeit und klaren Standards sein volles Potenzial entfalten kann.
Während Non-Profit-Organisationen wie die Open Hardware Group oder RISC-V International offene Spezifikationen entwickeln, sieht Kocher den entscheidenden Unterschied bei Quintauris: „Im Automobilbereich braucht es mehr als Offenheit. Zertifizierungen, langfristige Wartung und funktionale Sicherheit sind unerlässlich – und kostenintensiv. Genau diese Brücke schlagen wir.“
Ein zentrales Ergebnis ist das RT-Europa-Profil, das Quintauris auf der Embedded World vorgestellt hat. Es wurde speziell für sicherheitskritische Echtzeitanwendungen im Fahrzeug entwickelt, bietet deterministisches Verhalten und geringe Latenz – und soll OEMs wie Zulieferern den Umstieg auf RISC-V erleichtern, ohne zusätzliche Risiken.
Dass Branchengrößen in das Start-up investieren, liegt aus Kochers Sicht auf der Hand: „RISC-V steht für Offenheit und Innovation, aber das Ökosystem war stark fragmentiert. Unsere Anteilseigner wollen eine vertrauenswürdige, neutrale Basis schaffen, die Innovation und Wettbewerb fördert – und gleichzeitig Eintrittsbarrieren für kleinere Player senkt.“
Trotz des rasanten Fortschritts sieht Kocher die größte Herausforderung weniger in der Technologie selbst, sondern in deren Umsetzung: „Die Flexibilität von RISC-V ist großartig, führt aber schnell zu Fragmentierung. Wir brauchen Struktur, Konsistenz und vor allem industrielle Lösungen.“
Seine Botschaft an die Branche ist klar: Nur durch Zusammenarbeit lässt sich die Technologie skalieren. Profile wie RT-Europa sollen Wettbewerb und Kompatibilität gleichermaßen fördern. Prognosen, wonach RISC-V bis 2030 ein Viertel des Prozessormarktes ausmachen könnte, zeigen für Kocher, dass der Zeitpunkt für den Durchbruch gekommen ist. (oe)
