„In erster Linie scheitern neue Batterien bei mechanischen Tests“

Im Interview: Jürgen Böck, TÜV SÜD Battery Testing GmbH

Jürgen Böck vom TÜV SÜD ist Experte für Tests von Traktions-Batterien. © TÜV SÜD

Bereits seit 2009 führt der TÜV SÜD im Münchner Norden in seinem Batterietestzentrum an Li-Antriebsbatterien Lebensdauer-, Performance-, Sicherheits- und Missbrauchstests sowie Umweltsimulationsprüfungen auf Zell-, Modul- und Pack-Ebene durch. Jürgen Böck vom technischen Vertrieb des TÜV gewährt im Interview Einblick in seine Einschätzung aktueller und kommender Batterietechnik und in Ergebnisse der vom TÜV durchgeführten Batterietests.

AEEmobility: Welche Techniktrends sehen sie heute hinsichtlich der von Ihnen im Labor getesteten Traktionsbatterien?

Jürgen Böck: Traktionsbatterien für Elektrofahrzeuge sind heute üblicherweise aus mehreren Modulen aufgebaut. Diese modulare Bauweise bietet einige Vorteile, aber auch einige Nachteile insbesondere im Hinblick auf den Platzbedarf. Dies hat zur Entwicklung der Cell-to-Pack Batterien geführt. Durch die direkte Integration der Batteriezellen in das Packgehäuse lassen sich eine höhere Energiedichte auf gleichem Raum erreichen und Materialien einsparen. Allerdings geht die höhere Flexibilität einer Modulbauweise verloren und eine Second-Life-Verwertung könnte sich ggf. auch schwieriger gestalten. Es ist daher für mich noch nicht belastbar absehbar, ob sich dieses Konzept durchsetzen wird. Was wir jedoch beobachten ist ein zunehmend größer werdender Anteil von 800V-Batterien gegenüber ihren 400V-Pendands.

Welche Batterietechnologien sind darüber hinaus vielversprechend?

Es gibt mehrere interessante Ansätze. Zum Beispiel haben Batterien mit LiFePO4-Kathode prinzipiell Sicherheitsvorteile im Vergleich zu klassischen Lithium-Ionen-Batterien, aber den Nachteil einer geringeren Energiedichte. Einsatzgebiete dürften daher eher Anwendungen sein, bei denen der Platzbedarf nicht das ausschlaggebende Kriterium ist.

Interessant ist sicherlich auch die Festkörperbatterie, die deutliche Vorteile gegenüber klassischer Lithium-Ionen Technologie bietet.

Ein Aspekt, den man bei diesen neuen Technologien nicht außer Acht lassen darf ist, dass es oft mehrere Jahre dauert, bis sie den Schritt vom erfolgreichen Labormuster bis zur Großserienfertigung durchlaufen.

Generell sind die Lithium-Batterien noch lange nicht ausgereizt. Es wird eine kontinuierliche Weiterentwicklung bzgl. Energiedichte, Sicherheit und Vermeidung kritischer Elemente wie Kobalt geben.

Gibt es große Unterschiede in der Qualität und Zuverlässigkeit der Batterien, die Sie bisher getestet haben?

Ja. Wir sehen deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Batterien und Herstellern. Große Unterschiede sehen wir auch während ein neuer Batterietyp die verschiedenen Entwicklungsschritte durchläuft, die wir mit entwicklungsbegleitenden Tests unterstützten.

Welche Schwachstellen beobachten Sie häufiger?

In erster Linie fallen neue Batterien bei mechanischen Tests durch. Schocks und Vibrationen sind für die meisten der zu Tage tretenden Probleme verantwortlich. Übliche Fehlerbilder sind abgebrochene Befestigungsschrauben, gebrochene Gehäuseteile oder Schäden am Innenleben der Batterie. Hier treiben es die Konstrukteure wohl mit dem Leichtbau des Öfteren einmal zu weit oder unterschätzen die mechanische Beanspruchung der Batterie. Das Gute daran ist: Diese Probleme lassen sich mit einem gängigen Vibrationstest innerhalb von ein bis eineinhalb Wochen problemlos aufdecken. Da mechanische Probleme anders als die durch Alterungsprozesse hervorgerufene Degradation der Batteriekapazität nicht schleichend auftreten, ist die Batterie nach Testende noch funktionsfähig oder sie ist es nicht mehr. Und das ist meist schon mit bloßem Auge an den Beschädigungen am Gehäuse bzw. der Batterieaufhängung erkennbar.


Mit dem Shaker deckt TÜV SÜD am Standort in Garching mechanische Schwachstellen von Traktionsbatterien auf. ©TÜV SÜD


Apropos Alterungsprozesse. Wie gut lassen sich diese durch Tests vorhersagen, insbesondere wenn es um ihre Eignung für Second-Life-Anwendungen geht?

Generell lässt sich die Alterung der Batterie im Fahrzeug sehr gut im Labor nachstellen. Schließlich wird ein PKW in der Regel nur eine Stunde am Tag gefahren, was über eine Lebensdauer des Fahrzeugs von 15 bis 20 Jahren etwa 8.000 Betriebsstunden entspricht. Diese Zeitspanne lässt sich im 24/7-Prüfbetrieb in ein bis eineinhalb Jahren abbilden – eine vertretbare Testzeit. Üblicherweise überprüfen wir dabei die verschiedenen Einflussfaktoren wie Temperaturen, Ladezyklen und Ladeströme in separaten Tests, um die Auswirkungen der einzelnen Faktoren besser beurteilen zu können. Alterungstests werden mit mehreren Prüflingen – bei Zellen sind das zwischen sechs und zehn Stück, bei Batteriepacks zwischen zwei und sechs Stück – durchgeführt, um eine statistisch belastbare Aussage zu erhalten.

Schwieriger gestaltet sich das Thema im Falle von Second Life. Denn die Batterien haben ja alle eine individuelle Historie, bevor sie der Zweitnutzung zugeführt werden. Aktuell laufen dazu auf europäischer Normungsebene einige Anstrengungen, die die Definition der Prüfungsanforderungen für Second-Life-Batterien zum Ziel haben.

Welche Erkenntnisse haben Sie bisher aus den Alterungstests gezogen?

Auf Batteriepack-Ebene ist ein Vergleich verschiedener Produkte nur sehr bedingt möglich, da die Batteriepacks verschiedener Hersteller sich in punkto Kapazität und Energiegehalt unterscheiden. Außerdem hat das Batteriemanagement einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Alterungsprozesse. Wenn der Hersteller mit Hilfe des Managementsystems die Lade- und Entladegrenzen etwas einschränkt, d.h. die Zellen beispielsweise nicht bis 100% der Kapazität ausnutzt, sondern nur bis 95%, wirkt sich das spürbar auf die Lebensdauer aus.

Auf Zellebene sind Vergleiche belastbarer, denn hier gibt es z.B. 60Ah von Hersteller A und von Hersteller B in gleicher Bauform und gleicher Zellchemie. Und hier zeigten sich in der Vergangenheit doch Unterschiede zwischen den Zellherstellern. Ursachen dafür sind Faktoren wie die verwendeten Fertigungsprozesse oder das Elektroden-/Elektrolytmaterial mit speziellen Additiven. Die Zellhersteller lassen sich hier aber nicht in die Karten schauen, sodass Rückschlüsse kaum möglich sind.


Prüfstand des TÜV SÜD zur Durchführung von Penetrationstests. ©TÜV SÜD


Erschwert das nicht das Recycling? Müssen Hersteller deshalb offener werden?

Anlässlich der erwarteten Ablösung der 2006er Richtlinie durch die 2022er Richtlinie beobachten wir, dass das Thema Recycling zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Hersteller sind angehalten, die Batterien „recyclingfähig“ zu gestalten und es werden – gestaffelt über die kommenden Jahre – immer höhere Rezyklat-Anteile für Konfliktmineralien wie Lithium und Kobalt vorgeschrieben. Die Einhaltung dieser Vorgaben wird auch Gegenstand einer Überprüfung durch eine benannte Stelle werden. Wir sehen gegenwärtig viele Initiativen, bei denen sich auch die Batteriehersteller engagieren, die sich der großtechnischen Durchführung des Recyclings von Li-Ion-Batterien widmen.

Wie bewerten Sie die häufig zu hörenden Vorbehalte in Bezug auf die Sicherheit und Brandlast der aktuellen Lithium-Ionen-Batterien?

Die Brandlast bei einem Elektrofahrzeug ist nicht höher als bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Diese ist weitestgehend unabhängig vom Antrieb und wird vor allem von dem zunehmenden Einsatz von Kunststoffen im Fahrzeug bestimmt. Aus meiner Sicht sind diese Vorbehalte daher unbegründet. Vermutlich rühren sie in erster Linie daher, dass quasi über jedes brennende Elektrofahrzeug in den Medien berichtet wird, während die 40.000 Verbrenner, die jährlich laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV in Flammen aufgehen, weitgehend unerwähnt bleiben.

Was wird der Batteriepass bewirken, der laut EU-Batterieverordnung ab 2026 für jede in den Verkehr gebrachte Industrie/Elektro-Batterie erstellt und geführt werden muss?

Der Batteriepass kann als eine Art spezifische Chronik für jede Batterie verstanden werden. Darin werden alle relevanten Informationen zu der Batterie – Herstellung, Komposition, Anteil der Rezyklate, Verwendung, Anzahl Ladezyklen – eineindeutig zuordenbar gespeichert. Die somit gesammelten Informationen werden eine wertvolle Quelle darstellen, um am Ende der Nutzungsdauer im Elektroauto festzustellen, wie der „Gesundheitszustand“ der Batterie ist, welchen Restwert die Batterie noch hat oder ob die Batterie einer Zweitverwertung zugeführt werden kann oder entsorgt werden muss. Der Batteriepass wird also ermöglichen, den wirtschaftlichen Wert der Batterien wesentlich besser zu erheben und zu managen.


Prüfstände für den Leistungstest von Batteriezellen. ©TÜV SÜD


Sollten regelmäßige Test der Batterien/Hochvoltanlage während des Betriebs z.B. im Rahmen der Hauptuntersuchung durchgeführt werden? Wenn ja, was müsste dort getestet werden?

Derzeit erfolgt bei der HU nur eine optische Inspektion. Sinnvoll wäre es sicher auch über OBD – analog zur Abgasmessung – den Zustand der Batterie auszulesen. Hierzu gibt es unter der Federführung der CITA auch auf internationaler Ebene Aktivitäten. Stand heute ist auch das Ladekabel nicht Bestandteil der HU, da nur festverbaute Teile inspiziert werden. Auch hier wäre eine Änderung sicherlich zu überdenken.

Welche Empfehlungen würden Sie nach Ihren bisherigen Erfahrungen mit den Batterietests den Herstellern gerne mitgeben?

Die Anforderungen aus den Normen kann man nicht am Ende in das fertige Produkt „hineintesten“, sondern diese müssen von Beginn der Entwicklung berücksichtigt werden. Ein Beispiel hierfür ist z.B. die Anforderung im Hinblick auf die „Thermal Propagation“ wie sie in China seit Anfang 2021 gefordert wird und auch in der kommenden ECE-R100 Revision 3 enthalten sein wird. Hierbei ist sicherzustellen, dass im Falle des thermischen Durchgehens einer Zelle mindestens fünf Minuten Zeit verbleiben, bis es zu einer gefährlichen Situation für die Fahrzeuginsassen kommen kann. Um diese und andere Anforderungen mit möglichst geringem Aufwand und zielgerichtet erfüllen zu können, empfehlen sich aus unserer Sicht entwicklungsbegleitende Tests, wie wir sie anbieten, um Fehler frühzeitig im Entwicklungsprozess identifizieren und beheben zu können. (jr)

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